Wer sein Manuskript bei einem Verlag einreichen möchte, muss das in der Regel in Form von Normseiten tun. Aber was ist eine Normseite überhaupt? Und wie formatiere ich mein Manuskript nach Normseiten? *
Überall anders?
Wenn man im Internet nach dem Begriff „Normseite“ sucht, findet man überall andere Definitionen. Mal wird die Normseite als eine Seite mit 1500 Zeichen angegeben, mal mit 1600, 1650, 1800 … Aber wie viele Zeichen hat eine Normseite denn nun wirklich?
Die Antwort ist: Keine der obigen Zahlen ist richtig. Denn eine klassische Normseite hat keine festgelegte Zeichenzahl.
Warum ist das so? Die Definition einer Normseite wurde zu Zeiten festgelegt, als viele Menschen noch mit der Schreibmaschine geschrieben haben. Damals konnte man nicht bequem per Knopfdruck die Zeichenzahl ermitteln, wie das mit modernen Textverarbeitungsprogrammen möglich ist. Stattdessen wurden Zeilen gezählt. Relativ spät (erst 1992) hat man sich dann auf folgende Definition geeinigt:
Eine Normseite hat 30 Zeilen à höchstens 60 Anschläge.
Anschläge sind dabei alle Fingerbewegungen, also auch die Leerzeichen.
Was bedeutet das konkret?
Mal angenommen, unsere Seite hat tatsächlich 30 Zeilen mit jeweils 60 Anschlägen, dann wären das insgesamt 1800 Zeichen (inkl. der Leerzeichen). Wenn Sie allerdings einmal ein x-beliebiges Buch aus dem Regal nehmen, werden Sie schnell feststellen, dass auf den wenigsten Seiten alle Zeilen bis zum Ende mit Buchstaben ausgefüllt sind. Wir verwenden ja in der Regel schließlich Absätze. Und bei Dialogen endet die Zeile manchmal sogar schon nach einem einzigen Wort. Ganz zu schweigen von Kapitelenden, bei denen oft die halbe Seite leer bleibt.
Eine Normseite hat also mitnichten 1800 Zeichen – und wer Ihnen das weismachen will, irrt. Egal, wie viele halbleere Zeilen, egal, ob zwei Drittel der Seite weiß bleiben: Wenn Ihr Manuskript nach Normseiten formatiert ist, dann zählt jede Seite als ganze Normseite.
Das Problem mit der Normseite
Verlage verwenden auch heute noch meist die traditionelle Definition der Normseite und möchten Manuskripte auch in diesem Format eingesandt bekommen. Ganz anders sieht das bei uns Dienstleisterinnen aus.
Wenn ich mir zum Beispiel als Lektorin einen schnellen Überblick verschaffen möchte, wie viel Arbeit bei einem Auftrag auf mich zukommt, ist die Normseite nicht wirklich aussagekräftig. Denn in einem Roman gibt es vermutlich deutlich mehr Absätze als in einer wissenschaftlichen Abhandlung. Und innerhalb des Romangenres sieht der Zauberberg von Thomas Mann völlig anders aus als die Tribute von Panem.
Und genau deshalb liest man auch überall andere Zeichenzahlen für diese „Normseiten“, die keine sind. Denn es wird hier versucht, eine durchschnittliche Zeichenzahl für etwas zu finden, das in jedem Genre und von Fall zu Fall anders ist.
Achtung bei der Auftragserteilung
Merken Sie sich also: Wenn Sie einen Lektor oder eine Übersetzerin beauftragen, fragen Sie immer nach der Berechnungsgrundlage. Denn die Seitenzahl Ihres Manuskriptes, die der Dienstleister zugrunde legt, kann stark variieren. Ich verwende zum Beispiel Seiten à 1500 Zeichen und habe mein Seitenhonorar darauf abgestimmt.
Sinnvoll ist es außerdem, diese Art der Berechnung nicht „Normseite“ zu nennen, denn es ist keine. Dass der Begriff Normseite für die Berechnung nach Zeichenzahlen immer häufiger verwendet wird, führt insgesamt unter Auftragnehmern und Auftraggeberinnen zu großer Verwirrung. Das muss nicht sein.
Wie formatieren Sie Ihr Manuskript nach Normseiten
Sollten Sie Ihr Manuskript also einem Verlag anbieten wollen, müssen Sie es gewöhnlich im Normseitenformat abgeben. Dazu haben Sie zwei Möglichkeiten:
Per Knopfdruck mit Papyrus Autor
Sollten Sie das Schreibprogramm Papyrus Autor besitzen, haben Sie Glück gehabt: Hier können Sie mit einem einzigen Klick Ihr gesamtes Manuskript in Normseiten umformatieren. Der Button dazu befindet sich in der Symbolleiste über dem Schreibfenster und zeigt ein großes, rotes „N“.
Händisch
Selbstverständlich können Sie Ihr Dokument aber auch mit Word und jedem anderen Textverarbeitungsprogramm nach Normseiten formatieren. Dazu müssen Sie nur eine geeignete Schriftart und -größe wählen und einige Einstellungen beim Seitenlayout und den Absatzformaten vornehmen. Eine genaue Anleitung dazu gebe ich Ihnen beim nächsten Mal.
* Ich beziehe mich hier auf die Normseite, wie sie in Deutschland üblich ist. In anderen Ländern gibt es zum Teil abweichende Definitionen.
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