Heute wollen wir uns weiter der Frage widmen, was AI im Bereich Übersetzung leisten kann und was nicht. Wenn Sie Teil 1 verpasst haben, finden Sie ihn hier.
Welche Fehler machen DeepL und Co.?
Nicht alle Übersetzungen, die eine Maschine macht, sind auf den ersten Blick schlecht. Eine Arbeitsgruppe in unserem Seminar hatte zunächst wenig an ihrem Text auszusetzen, denn alle Sätze waren grammatisch einwandfrei. Doch bei näherem Betrachten fanden sie immer mehr Fehler. Hier eine „kurze“ Liste:
Die AI:
- verwendet die naheliegendste Übersetzung, nicht die beste
- erkennt idiomatische Wendungen nicht
- verändert die Erzählstimme
- versteht den Kontext einer Situation nicht oder falsch
- verwendet überwiegend Nominalstil (den wir Autoren und Übersetzerinnen versuchen zu vermeiden)
- kann übertragenen Sinn nicht erkennen
- stellt falsche Bezüge her
- springt zwischen du und Sie hin und her
- nimmt keine Rücksicht auf das Sprachniveau des Ausgangstextes oder der Sprecher (bei Dialogen)
- verwendet einen anderen Tonfall
- verwendet das falsche Sprachregister (ein Kind spricht anders als ein Professor!)
- verwendet bevorzugt Relativsätze
- behält häufig die Syntax des Originals bei, obwohl man es im Deutschen ganz anders ausdrücken würde
- erkennt Ironie nicht
- übersetzt Redewendungen falsch
- gendert nicht
- setzt Kommas falsch
- mehrdeutige Begriffe werden nicht als solche erkannt
- schwierig zu übersetzende Sätze werden von der KI zum Teil einfach ausgelassen (DeepL tut das gerne)!
- generiert einen Text, der sich irgendwie „unmotiviert“ liest
Puh! Das ist eine Menge!
Was kann der Mensch und die Maschine nicht?
Übersetzerinnen treffen beim Arbeiten ständig Entscheidungen – manchmal ändern sie schon geschriebene Sätze noch einmal um, weil sie so besser zum nächsten Satz passen. Sie wägen bei jedem Wort ab, ob es …
- inhaltlich das Richtige aussagt
- zum Sprachregister des Textes passt
- atmosphärisch zum Text passt
- schon mehrfach verwendet worden ist.
All das tut die AI nicht. Sie übersetzt immer gleich – und ob ihre Übersetzung hier nun so passt oder nicht, kann sie nicht einschätzen.
Der Maschine fehlt vor allem auch eins: Gefühle. Die AI kann sich nicht in Situationen hineinversetzen. Sie kennt nur, was ihr gefüttert worden ist. Natürlich wird das immer mehr werden, aber Gefühle werden wir den Maschinen hoffentlich nie geben können.
Es fehlt der AI auch an empirischem Weltwissen. Sie kann bestimmte Situationen einfach nicht einschätzen, nicht in einen größeren Kontext setzen.
Außerdem werden die Nuancen eines Textes häufig erst durch die enge Arbeit mit der Sprache klar. Ein guter Übersetzer kann sie erkennen, kann zwischen dem, was da steht und dem, was gemeint war, unterscheiden und entsprechend übersetzen. Die Übersetzung durch die Maschine sieht immer gleich aus.
Welche Folgen hat das für das Post-Editing?
Das größte Problem beim Post-Editing maschinenübersetzter Texte ist der so genannte Priming-Effekt. Die KI gibt eine Übersetzung vor, die häufig erst einmal recht elegant daherkommt und auf den ersten Blick richtig erscheint. (Und vielleicht ist sie sogar richtig, aber ist es deshalb die schönste Übersetzung?) Die Worte, die die KI gewählt hat, bereiten den Grundton der Übersetzung vor, locken uns auf eine falsche Fährte – und blockieren somit häufig unser Gehirn so sehr, dass wir auf die eigentlich richtige oder schönere Version nicht mehr kommen. Man wird quasi darauf konditioniert, bei der wörtlichsten Übersetzung zu bleiben statt bei der passendsten.
Hinzu kommt, dass es für das Gehirn extrem ermüdend ist, jeden einzelnen Satz hinterfragen zu müssen, so dass irgendwann ein Gewöhnungseffekt eintritt. Irgendwann sieht man die Fehler kaum noch – sie kommen einem richtig vor. Und so lässt man beim Post-Editing viel häufiger Sätze durchschlüpfen, die man bei einer eigenen Übersetzung völlig anders formuliert hätte.
Das Ergebnis sind Texte, die zwar lesbar sind, denen aber das gewisse Etwas fehlt. Sie sind anstrengender zu lesen, reißen nicht so sehr mit.
Kann man mit Maschinenübersetzungen Geld sparen?
Posteditoren müssen, wenn sie aus der maschinenübersetzten Version einen guten Text machen wollen, etwa 90 % der Sätze überarbeiten. Und sie müssen häufig lange über ihre Änderungen nachdenken, um aus dem bereits erwähnten Priming auszubrechen.
Qualitativ hochwertiges Post-Editing ist daher meist langsamer als eine Neuübersetzung – und sollte daher auch mindestens das gleiche (oder mehr) kosten. Und: Sie können davon ausgehen, dass Ihr posteditierter Text nicht so lebendig, nicht so einfühlsam, kurz: nicht so gut übersetzt ist.
Von dem horrenden Energieverbrauch, den eine einzige Suchanfrage bei ChatGPT verursacht, will ich hier gar nicht sprechen.
Natürlich muss man sich die Mühe eines qualitativ hochwertigen Post-Editings nicht machen. Wenn Sie wirklich wollen, dass jemand „nur nochmal eben drüberschaut“, können Sie sicher eine Studentin finden, die das günstig für Sie erledigt. Das Ergebnis wird allerdings eine mittelmäßige bis schlechte Übersetzung sein.
Sie haben aber viel Mühe und Liebe in Ihr Manuskript gesteckt. Und wollen sicher nicht, dass die Übersetzung Ihres Buches nur mittelmäßig ist. Sie wollen ein gutes Buch haben, das bestmögliche – egal in welcher Sprache. Und daher kann ich Ihnen nur ganz klar empfehlen: Lassen Sie Ihr Manuskript gleich professionell übersetzen, denn das kostet nicht mehr und das Ergebnis wird um einiges besser ausfallen.
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