Ist es sinnvoll, sein Kind bilingual zu erziehen? Gibt es Regeln, die man dabei beachten sollte? Wie war das bei mir? Diese und weitere Fragen möchte ich heute beantworten.
- Ein wunderbares Geschenk
- Wie und wann soll ich anfangen?
- Welche Sprache soll ich mit meinen Kindern sprechen?
- Gibt es Regeln zu beachten?
- Was ist, wenn mein Kind sich weigert, die zweite Sprache zu sprechen?
- Kann ich mein Kind beim Erlernen der zweiten Sprache fördern?
- Gibt es auch Nachteile der zweisprachigen Erziehung?
- Die Situation bei uns heute
- Quellen zum Nachlesen
Ein wunderbares Geschenk
Ich bin zweisprachig aufgewachsen, und das hatte für mich nur Vorteile. Ich bilde mir ein, dass mein großes Talent für Sprachen unter anderem daher rührt, dass ich von Anfang an zwei Systeme zur Verfügung hatte, zwischen denen ich Vergleiche ziehen konnte, statt rigide in einer Idee davon festzustecken, wie Sprache funktionieren kann.
Im Laufe der Jahre habe ich viele Sprachen gelernt. So spreche ich neben meinen beiden Muttersprachen, Deutsch und Englisch, fließend Französisch. Etwas eingerostet, aber durchaus noch vorhanden, sind Swahili und Japanisch. Spanisch und Italienisch schnappe ich (auch Dank meines Latinums) quasi im Vorbeigehen auf.
Und auch beruflich haben mich meine beiden Muttersprachen begleitet. Nach meinem Studium der Ethnologie und afrikanischen Sprachwissenschaften war ich viele Jahre lang Dozentin für Deutsch als Fremdsprache und Englisch, und nun übersetze ich seit 2019 von der einen in die andere Muttersprache und biete Lektorate in beiden Sprachen an.
Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich zweisprachig aufgewachsene Kinder später besser ausdrücken und leichter Sprachen lernen können. Und sie sollen sogar ein interessanteres und facettenreicheres Leben führen. Denn durch die zweite Muttersprache eröffnet sich ihnen auch eine weitere Kultur. Selbst auf die Empathiefähigkeit und die Intelligenz soll sich Zweisprachigkeit auswirken.
Ratten spielen gerne.
Kein Wunder also, dass ich vor der Geburt meiner Kinder beschlossen habe, auch ihnen diesen Schatz zugute kommen zu lassen. Heute möchte ich Ihnen ein wenig aus unserem bilingualen Alltag berichten und einige Fragen beantworten, die ich immer wieder höre, wenn es um zweisprachige Erziehung geht.
Wie und wann soll ich anfangen?
Ich habe mit meinen Kindern von Geburt an (und eigentlich auch schon davor) Englisch gesprochen. Mein Mann hat mit den Kindern Deutsch geredet. Es war erstaunlich, wie schnell beide Kinder verstanden haben, welche Wörter sie bei wem zu verwenden haben.
Es ist ratsam, so früh wie möglich mit der zweisprachigen Erziehung anzufangen, denn Kinder lernen in den ersten Lebensjahren eine Sprache am leichtesten. Aber auch wenn Sie den Einstieg versäumt haben: Es ist nie zu spät. Später allerdings muss man vermutlich mit mehr Widerstand gegen die neue Sprache rechnen.
Welche Sprache soll ich mit meinen Kindern sprechen?
Hier liegt der Knackpunkt. Zweisprachige Erziehung ist nur dann wirklich sinnvoll, wenn Sie die zweite Sprache sehr gut beherrschen. Denn erstens würde es die Beziehung zu Ihrem Kind vermutlich negativ beeinflussen, wenn Sie Probleme haben, Ihre Gefühle in der gemeinsamen Sprache zu äußern. Und außerdem wollen Sie Ihrem Kind natürlich auch den korrekten Sprachgebrauch beibringen. Wenn Sie die Sprache selbst nur gebrochen sprechen, wird auch Ihr Kind sie nicht wirklich gut lernen können.
Gibt es Regeln zu beachten?
Meiner Meinung nach sollten Sie wirklich konsequent sein und von Ihrer gewählten Sprache nur in Ausnahmefällen abweichen. Ich habe zum Beispiel nur dann Deutsch mit meinen Kindern gesprochen, wenn sie Besuch hatten. Und das auch nur, solange sie klein waren. Ab Ende der Grundschule bin ich davon ausgegangen, dass es auch den Freunden nicht schaden kann, wenn sie ab und zu Englisch hören. Sie hatten zu dem Zeitpunkt ja schon mindestens vier Jahre Englischunterricht in der Schule.
Was ist, wenn mein Kind sich weigert, die zweite Sprache zu sprechen?
Hier kommt meine zweite Regel ins Spiel: Zwingen Sie Ihr Kind zu nichts, sonst kann leicht eine Abwehrhaltung gegen die Zweitsprache entstehen.
Meine Eltern haben, als ich ein Kind war, meist Englisch mit mir gesprochen. Und ich habe ihnen ab dem Kindergartenalter auf Deutsch geantwortet, und zwar grundsätzlich. Denn um mich herum haben alle anderen Deutsch gesprochen. Mir war es als Kind zeitweise richtig peinlich, Englisch zu sprechen. Erst, als wir wieder in die USA gezogen sind, habe ich mein Englisch gebraucht – und habe es ab dem ersten Tag sprechen können, als hätte ich nie eine andere Sprache kennengelernt.
Und genauso ist es mit meinen eigenen Kindern auch gelaufen: Ich habe Englisch gesprochen, sie haben auf Deutsch geantwortet. Aber ihr Englisch war jederzeit abrufbar. Einer der schönsten Momente für mich war, als ich sie dabei beobachtet habe, wie sie plötzlich auf Englisch gespielt haben.
Also: Machen Sie sich keine Sorgen. Ihr Kind lernt trotzdem!
Kann ich mein Kind beim Erlernen der zweiten Sprache fördern?
Wenn Sie, wie wir, in Deutschland leben, dann hören Ihre Kinder die zweite Muttersprache zunächst vielleicht nur zu Hause. Daher habe ich von Anfang an Wert darauf gelegt, dass meine Kinder möglichst häufig anderweitig Kontakt zur englischen Sprache hatten. Ich habe ihnen möglichst viele englischsprachige Bücher vorgelesen und englische Hörbücher gekauft. Und synchronisierte Filme anschauen war bei uns tabu.
Reisen in Länder, in denen die Zweitsprache gesprochen wird, sind immer sinnvoll. Denn dann sehen die Kinder, dass es viele Menschen gibt, die täglich in dieser Sprache kommunizieren. Und mit etwas Glück wollen sie es dann sogar üben. Am allerbesten ist es, wenn die Kinder dort auf Gleichaltrige treffen. Da zeigt sich plötzlich, was sie alles können, auch wenn sie das Erwachsenen gegenüber gerne verheimlichen.
Ich habe meine Kinder im Alter von damals 8 und 10 Jahren für drei Wochen in den USA in ein Sommercamp geschickt. Sie konnten dort jeden Tag von 9 bis 16 Uhr paddeln gehen, Spiele spielen, Bogen schießen, schwimmen, sich künstlerisch betätigen und vor allem sehr viel Englisch sprechen. Ich dagegen habe die Ruhe genießen können (und dabei ganz ähnliche Dinge getan). Meine ältere Tochter spricht seitdem Englisch, als hätte sie von Geburt an in den USA gelebt, die jüngere spricht zwar noch kein perfektes, aber immerhin Englisch – auch mit mir.
Gibt es auch Nachteile der zweisprachigen Erziehung?
Meiner Ansicht nach nein. Zwar ist eine amerikanische Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass zweisprachig erzogene Kinder in der Tat dazu neigen, im Spracherwerb etwas hinterherzuhinken. Aber:
Erstens kann ich diese Beobachtung nicht teilen. Meine Kinder haben sich mehr oder weniger deckungsgleich mit anderen Kindern ihres Alters entwickelt.
Zweitens (und das finde ich noch viel wichtiger): Warum haben wir es denn so eilig mit unseren Kindern? Warum müssen sie denn in allem die Schnellsten und Besten sein? Selbst wenn Ihr Kind ein paar Monate später anfängt zu sprechen oder ein halbes Jahr länger braucht, um sich perfekt mit Ihnen unterhalten zu können – wo liegt das Problem? Ich sehe darin keinen Nachteil.
Jedes Kind ist anders. Unterschiede in der sprachlichen Entwicklung gibt es immer, egal ob Kinder ein- oder zweisprachig erzogen werden. Gut, dann gehört Ihr Kind eben zu den etwas Langsameren. Aber dafür wird es, wenn es dann soweit ist, zwei Sprachen perfekt sprechen können und empathischer, intelligenter und vielleicht sogar glücklicher sein. Wen interessiert da, ob es ein wenig länger gedauert hat?
Die Situation bei uns heute
Ich hatte es bereits erwähnt: Seit meine Kinder vor einigen Jahren im Sommercamp waren, sprechen sie auch mit mir Englisch. Und so verwenden wir zu Hause ein buntes Durcheinander an Sprachen. Wir wechseln gerne einmal mitten im Satz von einer in die andere Sprache (aber nur unter uns, versteht sich). Die Hauptsprache ist aber Englisch.
Wenn ich doch einmal Deutsch spreche, sagen meine Kinder oft: „Mama, lass das. Das klingt komisch.“ Und synchronisierte Filme kommen uns nicht ins Haus. Darauf reagieren wir inzwischen alle allergisch. Selbst die beste Freundin meiner 13-jährigen Tochter schaut sich Filme mit uns nur noch auf Englisch an. Sie war früher so häufig hier, dass sie Englisch fast mit in die Wiege gelegt bekommen hat.
Besser geht’s doch nicht.
Quellen zum Nachlesen
Bouko, Catherine et al.: Wie man ein Kind zweisprachig erzieht. Praktischer Leitfaden für Eltern, die Kinder zweisprachig erziehen. PEaCH for bilingual children, 2021.
https://bilingualfamily.eu/wp-content/uploads/2021/01/PEaCH-Handbook-German-rev2.pdf
Jaumont, Fabrice: So erziehen Sie Ihr Kind zweisprachig. Goethe-Institut. https://www.goethe.de/ins/us/de/spr/unt/cam/dfk/gdl/rfp/hch/rbc.html
Rübensamen, Annette: So funktioniert zweisprachige Erziehung. Eltern Magazin, 2018. https://www.eltern.de/kleinkind/erziehung/zweisprachig-erziehen-1-12350550.html
Troschke, Laura von: Brauchen mehrsprachige Kinder mehr Zeit für die ersten Worte? Eltern Magazin, 2022.
https://www.eltern.de/baby/babyentwicklung/bilinguale-erziehung–lernen-die-kinder-langsamer-sprechen–13168896.html
(Alle Quellen abgerufen am 26.3.2024)
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